Studien & Forschung
zu Stammzellen
Einblick in die aktuelle Stammzellforschung
Stammzellen sind ein zentrales Thema der modernen Medizin. Sie eröffnen neue Möglichkeiten in der Behandlung von Krankheiten und in der regenerativen Medizin. Um ihr Potenzial bestmöglich zu nutzen, werden weltweit zahlreiche Studien durchgeführt. Auf dieser Seite finden Sie eine Auswahl aktueller wissenschaftlicher Arbeiten rund um Stammzellen – kompakt zusammengefasst und leicht verständlich aufbereitet.
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Neue Therapie bei Typ-1-Diabetes: Inselzellen aus Stammzellen
Eine neuartige Therapie mit Inselzellen aus Stammzellen könnte es Betroffenen erstmals ermöglichen, wieder eigenes Insulin zu produzieren – und in vielen Fällen sogar ganz ohne Insulinspritzen auszukommen.
Was passiert bei Typ-1-Diabetes?
Weltweit sind mehr als acht Millionen Menschen betroffen. Bei dieser Krankheit zerstört das Immunsystem die Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die normalerweise Insulin herstellen. Ohne Insulin kann der Körper den Blutzucker nicht mehr richtig steuern. Betroffene müssen deshalb ein Leben lang Insulin spritzen.
Grenzen bisheriger Behandlungen
Manchmal hilft eine Transplantation von Inselzellen oder ganzen Bauchspeicheldrüsen. Doch es gibt zu wenige Spenderorgane, die Qualität ist nicht immer gleich und oft braucht es mehrere Transplantate.
Eine neue Idee: Zellen aus dem Labor
Forschende haben nun eine neue Methode entwickelt. Sie stellten Inselzellen künstlich im Labor aus Stammzellen her. Diese heissen Zimislecel. In einer ersten klinischen Studie von 2025 erhielten 14 Menschen (12 Teilnehmer erhielten die volle Dosis; 2 Teilnehmer erhielten eine reduzierte Dosis) mit Typ-1-Diabetes diese Zellen über eine Infusion in die Leber. Alle wurden mindestens zwölf Monate lang beobachtet.
Die Ergebnisse der Studie
Die eingesetzten Zellen wuchsen an, produzierten Insulin und funktionierten ähnlich wie gesunde Bauchspeicheldrüsen-Zellen. Bei allen Teilnehmenden, die die volle Dosis erhielten, verbesserte sich die Blutzuckereinstellung deutlich. Der wichtige Langzeitwert HbA1c sank auf unter sieben Prozent, die Blutzuckerwerte lagen den grössten Teil des Tages im gesunden Bereich und schwere Unterzuckerungen traten nicht mehr auf. Viele Patientinnen und Patienten brauchten deutlich weniger Insulin, einige sogar gar keines mehr. Nach zwölf Monaten waren mehr als achtzig Prozent der voll behandelten Gruppe völlig unabhängig von Insulinspritzen.
Nebenwirkungen und Sicherheit
Nebenwirkungen traten zwar auf, waren aber meist mild bis mittelstark. Häufig berichteten die Teilnehmenden über Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen oder Hautausschläge. Bei drei Personen sank die Zahl bestimmter weisser Blutkörperchen stärker ab. Trotzdem musste niemand die Studie abbrechen, was auf ein insgesamt akzeptables Sicherheitsprofil hindeutet.
Warum das wichtig ist
Zum ersten Mal konnte gezeigt werden, dass Betazellen aus Stammzellen nicht nur im Labor hergestellt, sondern auch erfolgreich im Menschen eingesetzt werden können. Sollte sich dies in grösseren Studien bestätigen, könnte sich die Behandlung von Typ-1-Diabetes grundlegend verändern. Viele Betroffene wären nicht länger auf Spenderorgane angewiesen und hätten die Chance, dauerhaft ohne Insulinspritzen zu leben.
Blick in die Zukunft
Eine grosse Folgestudie über fünf Jahre läuft bereits. Dort wird geprüft, wie sicher und wirksam die Behandlung langfristig ist und ob die Wirkung dauerhaft anhält. Auch wenn also noch offene Fragen bestehen, sehen Fachleute darin einen entscheidenden Schritt in Richtung einer Behandlung, die Typ-1-Diabetes an der Wurzel bekämpfen könnte.
Referenz:
Reichman TW, Markmann JF, Odorico J, et al.: VX-880-101 FORWARD Study Group. Stem Cell-Derived, Fully Differentiated Islets for Type 1 Diabetes. N Engl J Med. 20. Juni 2025.
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2506549 -
Einfluss von Neugeborenen und Plazenta auf die Qualität von Nabelschnurblut
Viele Eltern wissen nicht, dass das Blut aus der Nabelschnur ihres Babys voller wertvoller Stammzellen steckt. Diese können später bei der Behandlung schwerer Krankheiten eingesetzt werden. Doch nicht jedes Nabelschnurblut ist gleich gut geeignet. Eine aktuelle Studie hat untersucht, welche Faktoren bei Mutter, Kind und Plazenta die Qualität beeinflussen – mit spannenden Ergebnissen.
Warum Nabelschnurblut wichtig ist
In den letzten 30 Jahren ist Nabelschnurblut immer bedeutender geworden. Es enthält wertvolle Stammzellen, die bei vielen schweren Krankheiten helfen können, zum Beispiel bei bestimmten Blutkrankheiten oder im Bereich der regenerativen Medizin. Im Vergleich zu anderen Stammzellquellen hat Nabelschnurblut viele Vorteile: Es kann direkt nach der Geburt ohne Risiko für Mutter oder Kind entnommen werden, die Prozedur ist schmerzlos, und die Zellen sind oft leichter einsetzbar, da sie weniger strenge Übereinstimmungen mit dem Empfänger erfordern.
Was Forscher untersuchen wollten
Damit Nabelschnurblut in einer Blutbank aufbewahrt werden kann, muss die Qualität stimmen. Dafür schaut man unter anderem darauf, wie viele Zellen im Blut enthalten sind und wie viel Blut überhaupt gesammelt wurde. Eine Studie in Ägypten hat untersucht, welche Faktoren bei Mutter, Kind und Plazenta einen Einfluss darauf haben, wie gut die Qualität des Nabelschnurblutes ist.
Wie die Studie durchgeführt wurde
Die Forscher begleiteten 150 Kaiserschnitt-Geburten. Nur Mütter zwischen 18 und 40 Jahren wurden in die Untersuchung aufgenommen. Direkt nach der Geburt wurde das Nabelschnurblut gesammelt und ausgewertet. Dabei wurde gemessen, wie viel Blut entnommen werden konnte und wie viele Stammzellen es enthielt.
Welche Ergebnisse es gab
Es zeigte sich, dass die Grösse und das Gewicht von Kind und Plazenta eine grosse Rolle spielen. Babys mit einem Geburtsgewicht ab drei Kilogramm lieferten in der Regel mehr und besseres Nabelschnurblut. Auch eine schwerere Plazenta und eine längere Nabelschnur waren mit einer höheren Qualität verbunden. Auffällig war zudem, dass männliche Babys im Durchschnitt mehr Nabelschnurblut lieferten als weibliche, auch wenn die Zahl der wichtigen Stammzellen gleich war. Besonders das Gewicht der Plazenta erwies sich als der verlässlichste Hinweis darauf, wie gut die Blutqualität sein würde.
Warum das wichtig ist
Die Ergebnisse zeigen, dass bestimmte Eigenschaften von Kind und Plazenta vorhersagen können, ob sich das Nabelschnurblut besonders gut für die Lagerung eignet. Wenn Blutbanken diese Informationen nutzen, können sie gezielter entscheiden, von welchen Spendern Nabelschnurblut gesammelt wird. Das spart Kosten, erhöht die Effizienz und sorgt dafür, dass mehr qualitativ hochwertiges Blut für Patientinnen und Patienten zur Verfügung steht.
Fazit
Die Studie macht deutlich: Schon das Gewicht von Baby und Plazenta oder die Länge der Nabelschnur können viel darüber aussagen, ob das Nabelschnurblut später nützlich sein wird. Mit diesem Wissen können Blutbanken bessere Entscheidungen treffen und damit letztlich die medizinische Versorgung verbessern.
Referenz:
Darwish, A., Bassiouny, M.R., Mansour, A.K. et al. Neonatal factors impacting umbilical cord blood unit characteristics. Sci Rep 15, 16776 (2025).
https://www.nature.com/articles/s41598-025-96829-3 -
NK Zell und CAR NK Zelltherapie: Aktuelle Fortschritte und Perspektiven
In den letzten Jahren haben sogenannte NK-Zellen – spezielle Abwehrzellen unseres Immunsystems – viel Aufmerksamkeit in der Krebsforschung bekommen. Besonders spannend ist, dass sie im Labor vermehrt und sogar gentechnisch verändert werden können, um Tumore gezielt zu bekämpfen. Diese Therapien, oft als NK-Zell- oder CAR-NK-Zelltherapien bezeichnet, gelten als vielversprechend, weil sie wirksam sind und dabei meist weniger Nebenwirkungen verursachen als andere Immuntherapien.
Forschung und Studienlage
Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) sind eine besondere Art von Immunzellen, die Krebszellen oder virusbefallene Zellen sehr schnell angreifen können. Sie brauchen dafür kein „Vortraining“ wie T-Zellen. Seit über 30 Jahren wird erforscht, wie man diese Zellen im Labor vermehrt und dann Patient:innen zurückgibt, um Krankheiten wie Krebs, Autoimmunerkrankungen oder Infektionen zu behandeln.
Ein grosser Schritt war die Entwicklung von gentechnisch veränderten NK-Zellen, sogenannten CAR-NK-Zellen. Die erste klinische Studie dazu startete 2009. Seitdem hat sich das Feld enorm ausgeweitet: Stand April 2025 sind auf der Plattform ClinicalTrials.gov mehr als 380 Studien registriert, die NK-Zellinfusionen testen. Über 60 dieser Studien haben bereits Ergebnisse veröffentlicht.
Unterschiede zu T-Zellen
Im Vergleich zu T-Zellen haben NK-Zellen einige Vorteile. Sie können Tumore sowohl über ihre natürlichen Rezeptoren erkennen als auch über den eingebauten CAR-Rezeptor. Dadurch sinkt das Risiko, dass der Tumor „entkommt“, indem er sein Aussehen verändert. Ausserdem lösen NK-Zellen viel seltener Abstossungsreaktionen wie die gefürchtete Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) aus. Sogar wenn Spender- und Empfängerzellen genetisch nicht perfekt zusammenpassen, bleibt die Therapie in der Regel sicher. Bis heute wurde GvHD nach einer NK-Zellinfusion nur in einem einzigen klinischen Fall beobachtet – trotz tausender solcher Behandlungen.
Grenzen und Lösungsansätze
Ein Nachteil ist, dass NK-Zellen im Körper nur kurz überleben. Um ihre Wirkung zu verlängern, arbeiten Forschende daran, die Zellen mit zusätzlichen Botenstoffen wie IL-15 auszustatten. Auch die genetische Veränderung von NK-Zellen ist technisch schwieriger als bei T-Zellen, was die Entwicklung verlangsamt.
Einsatzgebiete in der Medizin
Besonders vielversprechend sind NK-Zellen bei Blutkrebsarten im Zusammenhang mit Stammzelltransplantationen. Dort können sie helfen, die Annahme des Transplantats zu verbessern, das Risiko für GvHD zu senken und Rückfälle zu verhindern. Auch beim Neuroblastom, einem aggressiven Tumor im Kindesalter, haben NK-Zellen Wirksamkeit gezeigt – vor allem in Kombination mit sogenannten Anti-GD2-Antikörpern. In zwei Studien wurden haploidentische (teilweise passende) NK-Zellen zusammen mit Anti-GD2-Chemotherapie bei Kindern mit Rückfällen eingesetzt.
Herstellung und praktische Hürden
Damit viele Patient:innen von der Therapie profitieren können, braucht es Verfahren, um NK-Zellen sicher und in grossen Mengen herzustellen. Eine vielversprechende Methode nutzt dafür sogenannte K562-mbIL21-4-1BBL-Zellen als „Fütterungszellen“. In frühen Studien (Phase I/II) wurden damit über 450 Infusionen an mehr als 150 Patient:innen durchgeführt – mit Dosierungen von bis zu 3 × 10⁸ Zellen pro Kilogramm Körpergewicht. Diese Behandlungen zeigten Sicherheit und erste Wirksamkeit, ohne dass schwere Nebenwirkungen die Dosierung begrenzten. Trotzdem gibt es noch grosse Hindernisse: Die Herstellung dauert lange, ist teuer, und die Auswahl geeigneter Spender:innen bleibt kompliziert.
Wer eignet sich als Spender oder Spenderin?
Ob NK-Zellen besonders wirksam sind, hängt auch vom Erbgut der Spender:innen ab. Bestimmte Genkombinationen machen Zellen stärker alloreaktiv – das heisst, sie wirken besonders kräftig gegen Tumore. Spender:innen, die die KIR-Gene 2DL1, 2DL2 oder 2DL3 sowie 3DL1 besitzen und gleichzeitig die HLA-Merkmale C1, C2 und Bw4 tragen, gelten als besonders wirksam für viele Empfänger:innen. Wenn Patient:innen allerdings alle drei HLA-Typen selbst haben, gibt es keine Spender:innen, die eine vollständige Tumor-Abwehr über diesen Weg vermitteln können – dann müssen andere Mechanismen der NK-Zellen genutzt werden. Manche Genkonstellationen gelten als eine Art „Universalspender-Typ“ für NK-Zellen, ähnlich wie die Blutgruppe 0 bei Bluttransfusionen.
Ausblick
Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass NK- und CAR-NK-Zelltherapien sicher sind und ein grosses Potenzial haben. Dennoch bleibt noch viel zu tun: Es braucht bessere Strategien für die Zellproduktion, klügere Studiendesigns und neue technische Lösungen, um die natürlichen Grenzen der NK-Zellen zu überwinden. Innovation bei Herstellung, Spender:innenauswahl und Verstärkung der Zellfunktionen wird entscheidend sein, damit diese Therapien ihr ganzes Potenzial entfalten können.
Referenz:
Caporale JR, Naeimi Kararoudi M, Lamb MG, Lee DA. Dark NKnight rising: a current perspective on NK cell and CAR‑NK cell therapy. Cytotherapy. 2025 Jul;27(7):812‑825. DOI/Link: https://www.isct-cytotherapy.org/article/S1465-3249(25)00687-5/fulltext
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Nabelschnurblut hilft Kindern mit Zerebralparese
Immer mehr Studien zeigen, dass Blut aus der Nabelschnur Kindern mit Zerebralparese helfen kann. Eine neue grosse Untersuchung bestätigt nun, dass diese Behandlung die Bewegungsfähigkeit deutlich verbessert und damit eine wichtige zusätzliche Chance für betroffene Familien bietet.
Neue Hoffnung für betroffene Kinder
Die Parents Guide to Cord Blood Foundation berichtet von einem wichtigen Fortschritt: Blut aus der Nabelschnur hat sich als wirksam bei der Behandlung von Zerebralparese erwiesen. Grundlage ist eine grosse Untersuchung, die in der Fachzeitschrift Pediatrics veröffentlicht wurde. Dafür wurden Daten von über 400 Kindern aus 11 verschiedenen Studien zusammengeführt, um ein klareres Bild zu bekommen.
Wie die Studie aufgebaut war
Aus der Gesamtauswertung wurden Kinder ausgeschlossen, die zusätzlich ein anderes Medikament bekamen. Übrig blieben 170 Kinder, die Nabelschnurblut erhielten, und 171 Kinder, die nur die übliche Rehabilitation bekamen. Das Ergebnis war eindeutig: Kinder mit Nabelschnurblut verbesserten ihre Bewegungsfähigkeiten deutlich stärker als jene, die nur eine Standardtherapie erhielten.
Wer an der Untersuchung teilnahm
Die meisten Kinder (90 %) litten an der häufigsten Form der Zerebralparese, der sogenannten spastischen. Das Durchschnittsalter lag bei knapp fünf Jahren, wobei die Spanne von Säuglingen bis zu Jugendlichen reichte. In fast allen Studien wurde das Nabelschnurblut wie eine Infusion in die Blutbahn gegeben, nur eine Studie wählte eine Spritze in den Rücken. Im Durchschnitt erhielten die Kinder 56,1 Millionen Zellen pro Kilogramm Körpergewicht. Die meisten Behandlungen (84 %) erfolgten mit Spenderblut, nicht mit eigenem.
Deutliche Verbesserungen
Nach sechs Monaten zeigten die behandelten Kinder im Durchschnitt eine um 1,36 Punkte bessere Entwicklung in einem gängigen Bewegungstest als die Vergleichsgruppe. Nach zwölf Monaten lag der Vorsprung bei 1,42 Punkten. Beide Ergebnisse waren statistisch gesichert.
Welche Kinder am meisten profitierten
Besonders gut wirkte die Behandlung bei Kindern, die eine höhere Zellmenge bekamen, jünger als fünf Jahre waren und schon vor der Therapie erste Gehversuche machen konnten. Die Forschenden betonen, dass eine frühe Diagnose und Behandlung entscheidend sind, weil sich das Gehirn in jungen Jahren am besten anpassen kann.
Warum das Nabelschnurblut wirkt
Die Forschenden gehen davon aus, dass die Zellen nicht direkt neue Nervenzellen bilden, sondern Stoffe freisetzen, die Entzündungen verringern, die Selbstheilung des Gehirns fördern und Verbindungen zwischen Nervenzellen stärken. Das erklärt die beobachteten Verbesserungen bei der Motorik.
Ein Wendepunkt in der Behandlung
Die Ergebnisse zeigen, dass die Behandlung mit Nabelschnurblut nicht länger nur als experimentell gilt. Sie verbessert messbar die Fähigkeiten im Alltag betroffener Kinder. Nun hoffen Fachleute, dass künftig mehr Familien Zugang zu dieser Therapie erhalten, sobald weitere Studien die Ergebnisse bestätigen.
Referenzen:
Parents Guide to Cord Blood Foundation: https://parentsguidecordblood.org/en/news/cord-blood-proven-effective-cerebral-palsy
Finch‑Edmondson M, Paton M, Webb A, Ashrafi M, Blatch‑Williams R, Cox J, Charles, Novak I. Cord Blood Treatment for Children With Cerebral Palsy: Individual Participant Data Meta‑Analysis. Pediatrics. 2025;155(5):e2024068999. https://publications.aap.org/pediatrics/article/155/5/e2024068999/201565/Cord-Blood-Treatment-for-Children-With-Cerebral
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Die verborgene Kraft der Plazenta
Die Plazenta begleitet jedes Leben nur während der Schwangerschaft und wird danach meist kaum beachtet. Doch die Forschung der letzten Jahre macht deutlich: Dieses Organ birgt ein grosses Potenzial für neue medizinische Therapien und Heilungsmethoden.
Ein vergessenes Organ im Rampenlicht
Immer mehr Forscherinnen und Forscher entdecken die Plazenta als Quelle neuer Behandlungsmöglichkeiten. In der Juli-Ausgabe 2025 der Fachzeitschrift Bioactive Materials erschien eine umfangreiche Übersichtsarbeit, die zeigt, wie vielseitig dieses Organ genutzt werden kann. Lange Zeit galt die Plazenta nach der Geburt als Abfall, heute aber rückt sie ins Zentrum der modernen Medizin.
Warum die Plazenta so besonders ist
Die Plazenta übernimmt in der Schwangerschaft lebenswichtige Aufgaben für das Kind. Doch auch darüber hinaus birgt sie wertvolle Eigenschaften. Ihr Gewebe ist besonders gut durchblutet, stabil aufgebaut und in grosser Menge verfügbar. Damit eignet sie sich hervorragend, um Heilungsprozesse zu unterstützen und neue medizinische Materialien zu entwickeln.
Vom Hautschutz bis zur Augenheilkunde
Die Übersichtsarbeit beschreibt verschiedene Möglichkeiten, wie Bestandteile der Plazenta bereits eingesetzt werden oder in Zukunft genutzt werden könnten. Dazu zählen Cremes, Injektionen und Kapseln, die mit Plazenta-Extrakt angereichert sind und die Heilung der Haut fördern können. Auch gefriergetrocknete Plazenta-Folien kommen für die Behandlung von Wunden infrage. Zudem werden bestimmte Häute aus der Plazenta – wie die sogenannte Amnion- oder Chorionmembran – wegen ihrer heilungsfördernden und entzündungshemmenden Wirkung untersucht.
Besonders spannend ist die Augenheilkunde. Hier rückt das sogenannte Nabelschnurblut-Serum in den Fokus. Studien zeigen, dass es besser wirkt als herkömmliche Mittel wie künstliche Tränen oder Blutserum. Es könnte künftig eine wichtige Rolle bei der Behandlung von trockenem Auge und Schäden an der Hornhaut spielen.
Ein Werkzeugkasten für die Zukunft
Neben den bereits bekannten Anwendungen gibt es auch neue Ansätze, die das Potenzial haben, die Medizin grundlegend zu verändern. Dazu gehören winzige Teilchen, die aus Zellen der Plazenta gewonnen werden und als Transportmittel für Wirkstoffe dienen. Auch Strukturen aus Plazentagewebe, die als natürliche Stützgerüste bei Gewebetransplantationen helfen können, zeigen grosses Versprechen.
Diese Vielfalt macht die Plazenta zu einer Art Werkzeugkasten für Forschung und Klinik. Schon heute sorgt sie in der Hautpflege und ästhetischen Medizin für Aufmerksamkeit, und künftig könnte sie eine zentrale Rolle in vielen Bereichen der Heilung und Zelltherapie spielen.
Von Abfall zum Hoffnungsträger
Noch vor wenigen Jahrzehnten wurde die Plazenta nach der Geburt meist entsorgt. Heute sehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihr eine wertvolle, ethisch unbedenkliche und biologisch reiche Ressource. Mit weiterer Forschung und verantwortungsvollem Einsatz könnte sie schon bald ein fester Bestandteil moderner Behandlungen werden.
Referenz:
Moghassemi S, Nikanfar S, Dadashzadeh A, Sousa MJ, Wan Y, Sun F, Colson A, De Windt S, Kwaspen L, Kanbar M, Sobhani K, Yang J, Vlieghe H, Li Y, Debiève F, Wyns C, Amorim CA. The revolutionary role of placental derivatives in biomedical research. Bioact Mater. 2025 Mar 19;49:456-485. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2452199X25001136
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Highlights der 31. ISCT‑Jahrestagung: Innovationen in Zell- und Gentherapie
Die Internationale Gesellschaft für Zell- und Gentherapie (ISCT) bringt jedes Jahr Forschende, Ärztinnen und Ärzte sowie Industrievertreter aus aller Welt zusammen. Bei der 31. Jahrestagung im Mai 2025 in New Orleans standen neue Entwicklungen im Mittelpunkt, die das Potenzial haben, die Behandlung schwerer Krankheiten grundlegend zu verändern.
Höhepunkte der 31. ISCT-Jahrestagung
Vom 7. bis 10. Mai 2025 fand in New Orleans, USA, die 31. Jahrestagung der International Society for Cell and Gene Therapy (ISCT) statt. Dort wurden die neuesten Entwicklungen in Zell- und Gentherapien vorgestellt. Das gesamte Programm ist online einsehbar, und alle wissenschaftlichen Beiträge wurden in der Zeitschrift Cytotherapy veröffentlicht. Hier eine Auswahl besonders aussagekräftiger Arbeiten.
Die Tagung machte deutlich, wie schnell sich das Feld entwickelt – von neuen Produktionsverfahren über auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Behandlungen bis hin zu neuen Strategien für die Heilung von Gewebe. Besonders wichtig für die Zukunft sind dabei die Fragen, wie Therapien weltweit verfügbar gemacht, individuell angepasst und gleichzeitig einheitlich hergestellt werden können.
Einheitliche Qualität bei Zelltherapien
Ein Beitrag widmete sich dem Problem, dass Zelltherapien oft unterschiedlich wirksam sind, weil die Zellen von verschiedenen Spendern stammen. Vorgestellt wurde ein Verfahren, mit dem die Qualität von Zellen besser geprüft und vereinheitlicht werden kann. In Tests zeigte sich, dass fast 7’000 Gene unterschiedlich aktiv waren, wenn Zellen vorher speziell vorbereitet wurden. Diese Ergebnisse könnten helfen, die Herstellung solcher Zellprodukte in Zukunft gleichmässiger und zuverlässiger zu machen.
Genetische Unterschiede bei ALS-Patienten
In einer grossen Studie mit 189 Patientinnen und Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) wurde untersucht, ob die Wirkung einer bestimmten Zelltherapie von den Genen der Patienten abhängt. 62 Prozent der Teilnehmenden trugen eine Genveränderung, die mit einem höheren Risiko für ALS verbunden ist. Diese Gruppe, besonders jene mit einem bestimmten Genotyp, sprach deutlich besser auf die Behandlung an (65 Prozent im Vergleich zu 29 Prozent unter Placebo, p = 0,011). Das Ergebnis deutet darauf hin, dass es in Zukunft möglich sein könnte, Zelltherapien individuell nach genetischem Profil anzupassen.
Neue Ansätze für die Wundheilung
Eine experimentelle Studie stellte ein spezielles Gerüst vor, das in Wunden eingesetzt wird. Es besteht aus natürlichen Stoffen wie Alginat und Chitosan und enthält zusätzlich bestimmte Zellen, die die Heilung fördern. In Tierversuchen mit chronischen Wunden heilten die Verletzungen schneller und das neu gebildete Gewebe war von besserer Qualität. Auch im Labor zeigte sich, dass das Gerüst entzündungshemmend wirkt, Bakterien bekämpfen kann und die Heilung unterstützt.
Zelltherapie in nur einem Tag
Ein Forschungsteam präsentierte eine neue Plattform, mit der sogenannte CAR-T-Zellen innerhalb von weniger als 24 Stunden hergestellt werden können. Diese Zellen werden zur Behandlung bestimmter Krebserkrankungen eingesetzt. In einer ersten Studie mit 10 Patientinnen und Patienten sowie einer Validierung mit 3 weiteren Betroffenen erfüllten alle 13 Produktionsläufe die Qualitätsanforderungen. Die Zellen blieben im Schnitt zu 94 Prozent lebensfähig, und es traten weniger Nebenwirkungen auf (15 Prozent mit Fieberreaktionen und 8 Prozent mit neurologischen Problemen), als bei herkömmlichen CAR-T-Therapien. Sollte sich dieses Verfahren bewähren, könnte es den weltweiten Zugang zu solchen Behandlungen deutlich beschleunigen.
Ergebnisse aus der Praxis bei schwerer GvHD
In einer grossen Analyse wurden zwischen 2017 und 2024 insgesamt 242 Erwachsene in Deutschland, Ungarn und Frankreich untersucht, die an einer besonders schweren Form von GvHD litten. Diese Abkürzung steht für „Graft-versus-Host-Disease“, auf Deutsch „Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion“. Sie tritt nach einer Knochenmark- oder Stammzelltransplantation auf, wenn die neuen Spenderzellen den Körper der Patientin oder des Patienten als fremd erkennen und ihn angreifen.
Die Betroffenen erhielten eine Therapie mit einem Produkt aus gespendeten Knochenmarkzellen. Selbst bei Patientinnen und Patienten, bei denen eine andere Standardbehandlung nicht gewirkt hatte, zeigte die Therapie ein gutes Sicherheitsprofil und vielversprechende Wirksamkeit an den Tagen 28, 60 und 180 nach Beginn der Behandlung. Die Ergebnisse sind noch nicht endgültig, bilden aber die Grundlage für laufende internationale Studien, die prüfen, ob diese Behandlung das Überleben im Vergleich zu den besten verfügbaren Therapien verbessern kann.
Referenzen:
Programm/Übersicht: https://indd.adobe.com/view/bdbe9517-de33-4950-81cb-88e54d9911ad
Cytotherapy-Supplement: https://www.sciencedirect.com/journal/cytotherapy/vol/27/issue/5/suppl/S
Weitere Auszüge:
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1465324925000921
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1465324925000933
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1465324925000969
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1465324925001021
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1465324925001124 -
Mesenchymale Stamm-/Stromazellen in der Behandlung chronischer Wunden: Eine vielversprechende Zukunft für die Regenerative Medizin
Chronische Wunden sind für viele Menschen ein grosses Problem, weil sie oft über Monate oder Jahre nicht heilen und das Leben stark einschränken. Neue Forschung zeigt, dass bestimmte Stammzellen die Heilung unterstützen und damit ganz neue Behandlungsmöglichkeiten eröffnen könnten.
Neue Möglichkeiten zur Behandlung chronischer Wunden
Chronische Wunden sind Verletzungen, die über lange Zeit nicht abheilen. Sie stellen nach wie vor eine grosse Herausforderung für die Medizin dar. Betroffene leiden stark unter den Einschränkungen, und auch die Gesundheitssysteme werden erheblich belastet. Schätzungen zufolge sind in Europa etwa 1,5 bis 2 Millionen Menschen und in den Vereinigten Staaten rund 5 Millionen Menschen von solchen Wunden betroffen.
Was sind Stammzellen und warum sind sie interessant?
Ein bestimmter Typ von Stammzellen – sogenannte mesenchymale Stamm- oder Stromazellen (kurz MSCs) – eröffnet neue Möglichkeiten für die Wundheilung. Stammzellen sind besondere Zellen, die sich in verschiedene Gewebetypen verwandeln können. Dadurch können sie den natürlichen Heilungsprozess unterstützen. In wissenschaftlichen Arbeiten wird beschrieben, dass diese Zellen in verschiedenen Phasen der Wundheilung eine wichtige Rolle spielen. Sie tragen ausserdem dazu bei, dass die Haut im Gleichgewicht bleibt.
Wie Stammzellen die Heilung unterstützen
MSCs helfen dem Körper, geschädigtes Gewebe zu reparieren. Das geschieht, weil sie Entzündungen verringern, die Abwehrkräfte regulieren und neue Zellen zum Wachsen anregen. Sie geben Botenstoffe ab, die verschiedene Prozesse auslösen: Hautzellen werden angelockt, neues Gewebe bildet sich, Blutgefässe wachsen nach, und die Wunde wird mit neuem Hautgewebe bedeckt.
Neuere Studien zeigen zudem, dass diese Zellen sogar gegen Krankheitserreger wirken können. Sie unterstützen die Abwehrzellen des Körpers im Kampf gegen Bakterien und können spezielle Eiweisse bilden, die Keime abtöten. Manche Untersuchungen im Labor deuten sogar darauf hin, dass sie Bakterien direkt bekämpfen können.
Ergebnisse aus der Forschung
Es gibt inzwischen viele wissenschaftliche Untersuchungen, die den Einsatz von MSCs bei der Behandlung von chronischen Wunden erproben. Dazu gehören auch komplizierte Wunden wie diabetische Geschwüre, Verbrennungen, Druckgeschwüre, Knochenheilungsstörungen und seltene Erkrankungen wie Epidermolysis bullosa (Schmetterlingskrankheit).
Laut der Datenbank der US-amerikanischen National Library of Medicine waren am 20. September 2024 vier klinische Studien zu MSC-Therapien bei chronischen Wunden in Planung oder im Gange, eine davon speziell für Patienten mit Epidermolysis bullosa. Ausserdem gab es zu diesem Zeitpunkt 28 abgeschlossene Studien, darunter fünf zu dieser seltenen Erkrankung.
Chancen und offene Fragen
Die meisten dieser Studien zeigen positive Ergebnisse. Patienten profitierten von einer besseren Wundheilung. Trotzdem betonen Fachleute, dass weitere grosse Studien nötig sind, um die besten Behandlungsmethoden zu finden. Bisher wurden verschiedene Wege getestet: Die Zellen können direkt in die Wunde eingebracht, in die Blutbahn gespritzt oder zusammen mit Trägerstoffen wie Gelen, Folien oder Hauttransplantaten angewendet werden.
Blick in die Zukunft
Besonders spannend sind neue Technologien wie der 3D-Druck von Gewebe und das sogenannte Gewebe-Engineering. Sie könnten die Wirksamkeit der Stammzelltherapien noch deutlich steigern. Das Ziel ist es, den Umgang mit chronischen Wunden grundlegend zu verändern und die Heilungschancen von Millionen betroffenen Patienten zu verbessern.
Referenz:
Nasadiuk K, Kolanowski T, Kowalewski C, Wozniak K, Oldak T, Rozwadowska N: Harnessing Mesenchymal Stromal Cells for Advanced Wound Healing: A Comprehensive Review of Mechanisms and Applications. Int. J. Mol. Sci. 2025, 26, 199.
https://www.mdpi.com/1422-0067/26/1/199 -
Neue Behandlung bei Kniearthrose: Nabelschnurzellen wirksamer als Kortison
Kniearthrose betrifft Millionen Menschen weltweit. Die üblichen Therapien wie Schmerzmittel oder Kortison helfen oft nur vorübergehend. Forschende haben deshalb neue Wege gesucht – eine aktuelle Studie zeigt nun, dass Zellen aus der Nabelschnur längerfristig wirksam sein können.
Hintergrund
Kniearthrose ist die am weitesten verbreitete Erkrankung der Gelenke. Sie führt zu Schmerzen, eingeschränkter Beweglichkeit und einer deutlichen Minderung der Lebensqualität. In den letzten Jahren wurde untersucht, ob Zellen aus der Nabelschnur, sogenannte Stammzellen, die Beschwerden langfristig lindern können.
Ablauf der Studie
Im Februar 2025 erschien in der Fachzeitschrift Cytotherapy eine klinische Pilotstudie, an der 30 Patienten mit Kniearthrose teilnahmen. Die Teilnehmer erhielten entweder eine einmalige Injektion mit Nabelschnurzellen oder eine Injektion mit Kortison (Triamcinolon, 10 mg/ml). Die Menge an Nabelschnurzellen lag bei rund fünf Millionen und damit niedriger als in vielen anderen Untersuchungen.
Ergebnisse
Die Wirksamkeit wurde mithilfe des sogenannten WOMAC-Scores gemessen, der Schmerzen, Steifigkeit und Beweglichkeit erfasst. Nach drei Monaten zeigte sich, dass sich die Beschwerden in der Nabelschnur-Gruppe mehr als doppelt so stark verbessert hatten wie zu Beginn, während die Patienten in der Kortison-Gruppe nur eine geringfügige Besserung verspürten. Nach sechs Monaten hielten die positiven Effekte in der Nabelschnur-Gruppe nahezu unverändert an, während die Wirkung in der Kortison-Gruppe kaum über den Ausgangswert hinausging. Nach neun Monaten war der Effekt von Kortison fast völlig verschwunden, während die Patienten mit Nabelschnurzellen weiterhin eine deutliche Linderung der Schmerzen und eine bessere Beweglichkeit berichteten.
Fazit
Die Ergebnisse zeigen, dass eine einmalige Behandlung mit Zellen aus der Nabelschnur bei Kniearthrose sowohl sicher als auch wirksam sein kann. Im Vergleich zu Kortison bietet diese Methode eine länger anhaltende Schmerzlinderung und verbessert die Beweglichkeit über viele Monate hinweg.
Referenzen:
Pico OA, Espinoza F, Cádiz MI, Sossa CL, Becerra-Bayona SM, Salgado MCC, Rodríguez JER, Cárdenas OFV, Cure JMQ, Khoury M, Arango-Rodríguez ML: Efficacy of a single dose of cryopreserved human umbilical cord mesenchymal stromal cells for the treatment of knee osteoarthritis:a randomized, controlled, double-blind pilot study. Cytotherapy. 2025 Feb;27(2):188-200.
https://www.isct-cytotherapy.org/article/S1465-3249(24)00883-1/abstractSadlik B, Jaroslawski G, Gladysz D, Puszkarz M, Markowska M, Pawelec K, Boruczkowski D, Oldak T: Knee Cartilage Regeneration with Umbilical Cord Mesenchymal Stem Cells Embedded in Collagen Scaffold Using Dry Arthroscopy Technique. Adv Exp Med Biol. 2017;1020:113-122.
https://link.springer.com/chapter/10.1007/5584_2017_9 -
Frühe Isolation und Kryokonservierung von NK-Zellen aus Nabelschnurblut steigert ihre Leistungsfähigkeit
Immer mehr Forschungen zeigen, dass Nabelschnurblut ein wertvoller Schatz für die Medizin ist. Besonders interessant sind bestimmte Abwehrzellen darin, die bei der Behandlung von Krankheiten wie Krebs eine wichtige Rolle spielen könnten. Neue Studien liefern Hinweise darauf, wie man diese Zellen am besten gewinnt und haltbar macht, damit sie später wirksamer eingesetzt werden können.
Nabelschnurblut als Quelle für Immunzellen
Nabelschnurblut enthält besondere Abwehrzellen, die sogenannten natürlichen Killerzellen. Diese spielen eine wichtige Rolle im Immunsystem. Damit sie später in Therapien genutzt werden können, muss man allerdings eine grosse Zahl dieser Zellen gewinnen und dafür sorgen, dass sie gut funktionieren.
Unterschiede zwischen Menschen
Auf einer internationalen Tagung im Jahr 2024 wurde gezeigt, dass die Leistungsfähigkeit dieser Abwehrzellen von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ist. Ausserdem lassen sie sich nicht immer gleich gut vermehren. Im Vergleich zu Abwehrzellen aus normalem Blut zeigen sie zwar stärkere Schwankungen beim Wachstum, dafür aber bessere Eigenschaften, wenn es darum geht, in das Knochenmark zu gelangen – ein entscheidender Schritt, wenn sie im Körper wirken sollen.
Bedeutung des richtigen Zeitpunkts
Die Arbeitsgruppe um M. Kennedy konnte nachweisen, dass der Zeitpunkt nach der Entnahme entscheidend ist. Je länger man wartet, bis die Zellen aufbereitet werden, desto schlechter lassen sie sich später vermehren. Wenn man das Nabelschnurblut sofort nach der Entnahme einfriert, lassen sich die Zellen deutlich besser vermehren (statistisch gesichert mit p<0,05). Wichtig ist: Durch das frühe Einfrieren wird die Funktion der Zellen nicht beeinträchtigt, sie behalten ihre Eigenschaften.
Fazit
Das Einfrieren von Nabelschnurblut unmittelbar nach der Geburt könnte ein entscheidender Schritt sein, damit diese Abwehrzellen in Zukunft noch wirkungsvoller in der Krebs- und Immuntherapie eingesetzt werden können.
Referenzen:
Kennedy, W. Patterson, S.T. Cox, R. Danby, D. Hernandez. Early isolation and cryopreservation of NK cells from fresh cord blood, enhances their subsequent performance. Abstracts of the 30th Annual ISCT Meeting May 29-June 1, 2024. Cytotherapy 2024, 26 (6), S176.
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1465324924004353Maddineni S, Silberstein JL, Sunwoo JB. Emerging NK cell therapies for cancer and the promise of next generation engineering of iPSC-derived NK cells. J Immunother Cancer. 2022 May;10(5):e004693. doi: 10.1136/jitc-2022-004693. Erratum in: J Immunother Cancer. 2022 Sep;10(9).
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9115029/ -
Rückblick auf die virtuelle World Cord Blood Day-Tagung
Nabelschnurblut enthält wertvolle Zellen, die Leben retten können. Jedes Jahr am 15. November macht der World Cord Blood Day darauf aufmerksam. 2024 fand dazu eine virtuelle Konferenz statt, bei der Fachleute aus aller Welt die neuesten Entwicklungen und beeindruckende Erfolgsgeschichten teilten.
Am 15. November wird jedes Jahr der World Cord Blood Day gefeiert. An diesem Tag soll weltweit das Bewusstsein für die grossen Möglichkeiten von Nabelschnurblut gestärkt werden. Im Jahr 2024 fand zu diesem Anlass eine virtuelle Konferenz statt, bei der die neuesten Erkenntnisse zu Transplantationen und neuen Behandlungsmethoden vorgestellt wurden. Unterstützt wurde die Veranstaltung von internationalen Organisationen wie der Cord Blood Association und der Save the Cord Foundation.
Nabelschnurblut im Klassenzimmer
Die Konferenz begann mit einer Sitzung mit dem Titel „Nabelschnurblut im Klassenzimmer“. Laut der Cord Blood Association wurden seit 1988 weltweit über 60’000 Transplantationen mit Nabelschnurblut durchgeführt. Das Besondere: Nabelschnurblut enthält Zellen, die heute bei mehr als 80 Blut- und Stoffwechselkrankheiten als Standardbehandlung eingesetzt werden. Die Forschung geht aber noch weiter. Aktuell wird untersucht, ob Nabelschnurblut auch bei Krankheiten wie Autismus, Verletzungen des Rückenmarks, Diabetes, HIV oder Schlaganfällen helfen könnte.
Von den Anfängen bis heute
Ein Höhepunkt der Veranstaltung war der Vortrag von Dr. Joanne Kurtzberg von der Duke University. Sie blickte auf die Geschichte der Nabelschnurblut-Transplantationen zurück. In den 1980er-Jahren entdeckte Hal Broxmeyer die besonderen Zellen im Nabelschnurblut. Die erste erfolgreiche Transplantation fand 1988 in Frankreich zwischen Geschwistern statt, 1993 folgte in den USA die erste mit einem nicht verwandten Spender.
Heute gibt es weltweit über 160 Nabelschnurblutbanken. Dort werden mehr als 800’000 Proben für die öffentliche Nutzung und über 6 Millionen für den privaten Gebrauch aufbewahrt. Jährlich werden etwa 2’000 bis 3’000 Transplantationen durchgeführt. Dr. Kurtzberg betonte, dass der Behandlungserfolg wesentlich davon abhängt, wie viele Zellen eine Probe enthält.
Wichtige Studien und neue Erkenntnisse
Dr. Kurtzberg erinnerte an wegweisende wissenschaftliche Arbeiten. Eine Studie aus dem Jahr 2014 (Wagner et al.) zeigte, dass eine einzelne Nabelschnurblutprobe mit der richtigen Dosierung bessere Ergebnisse bei der Behandlung von Blutkrebs erzielen kann als die Kombination von zwei Proben. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2020 verglich Transplantationen von nur teilweise passenden Spendern mit solchen aus Nabelschnurblut. Das Ergebnis: Erstere sind zwar im Kommen, bergen aber ein höheres Risiko für Rückfälle. Nabelschnurblut-Transplantationen hingegen sind mit einer höheren behandlungsbedingten Sterblichkeit verbunden.
Erfolge bei seltenen Krankheiten
Besonders eindrücklich waren die Langzeitergebnisse von Patientinnen und Patienten mit seltenen genetischen Krankheiten wie dem Hurler-Syndrom, der Krabbe-Krankheit oder der metachromatischen Leukodystrophie. Dr. Kurtzberg berichtete von zwei Mädchen, die bereits im Alter von einem Jahr wegen des Hurler-Syndroms eine Nabelschnurblut-Transplantation erhielten. Beide sind heute gesund, leben ein normales Leben und stehen kurz vor ihrem Studienabschluss.
Mehr als nur Zellen
Dr. Kurtzberg hob hervor, dass eine Nabelschnurblutprobe viel mehr Potenzial hat als nur die bekannten Transplantationszellen. Inzwischen werden daraus weitere Produkte entwickelt. Dazu gehören spezielle Abwehrzellen, die bei Hirnverletzungen eingesetzt werden könnten, oder sogenannte Makrophagen-Produkte wie DUOC-01, die die Reparatur von Nervenzellen unterstützen sollen. Besonders spannend: Bestimmte Zellen aus Nabelschnurblut können geschädigte Hirnzellen nach Sauerstoffmangel retten – ein Effekt, der bei vergleichbaren Zellen von Erwachsenen nicht auftritt.
Blick in die Zukunft
Zum Abschluss wurden aktuelle klinische Studien vorgestellt, die sich mit der Behandlung von Zerebralparese und Autismus beschäftigen. All diese Entwicklungen zeigen, dass Nabelschnurblut längst nicht mehr nur für Transplantationen genutzt wird. Es entwickelt sich zu einem vielseitigen Werkzeug, das neue Hoffnung für viele Krankheiten bietet und spannende Perspektiven für die Zukunft eröffnet.
Referenzen:
https://www.worldcordbloodday.org/
Wagner JE et al. Blood and Marrow Transplant Clinical Trials Network. One-unit versus two-unit cord-blood transplantation for hematologic cancers. N Engl J Med 2014 Oct 30;371(18):1685-94. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25354103/
Wagner, John E. et al. Comparison of Haploidentical Related Donor with Post-Transplant Cyclophosphamide (PTCy) and Umbilical Cord Blood (UCB) Transplantation after Myeloablative Conditioning for Hematological Malignancy. Biology of Blood and Marrow Transplantation, Volume 26, Issue 3, S291 www.astctjournal.org/article/S1083-8791(19)31495-8/fulltext
Escolar ML et al. Transplantation of umbilical-cord blood in babies with infantile Krabbe’s disease. N Engl J Med. 2005 May 19;352(20):2069-81. www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa042604
Kwon JM et al. Consensus guidelines for newborn screening, diagnosis and treatment of infantile Krabbe disease. Orphanet J Rare Dis. 2018 Feb 1;13(1):30. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29391017/
Dumont-Lagacé M, Feghaly A, Meunier MC, Finney M, Van’t Hof W, Masson Frenet E, Sauvageau G, Cohen S. UM171 Expansion of Cord Blood Improves Donor Availability and HLA Matching For All Patients, Including Minorities. Transplant Cell Ther. 2022 Jul;28(7):410.e1-410.e5. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35311667/
Saiyin T, Kirkham AM, Bailey AJM, Shorr R, Pineault N, Maganti HB, Allan DS. Clinical Outcomes of Umbilical Cord Blood Transplantation Using Ex Vivo Expansion: A Systematic Review and Meta-Analysis of Controlled Studies. Transplant Cell Ther. 2023 Feb;29(2):129.e1-129.e9. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36396108/
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20 Jahre Behandlung der ischämischen Kardiomyopathie mit mesenchymalen Stamm-/Stromazellen
Neue Therapien gegen schwere Herzkrankheiten sind seit vielen Jahren ein grosses Forschungsziel. Besonders bei der ischämischen Kardiomyopathie, einer Form der Herzschwäche, suchen Ärztinnen und Ärzte nach Wegen, die geschädigte Herzfunktion zu verbessern. Seit zwei Jahrzehnten wird untersucht, ob spezielle Zellen dabei helfen können.
Die Krankheit
Die ischämische Kardiomyopathie ist eine häufige und sehr ernste Herzkrankheit. Dabei wird das Herz durch eine schlechte Durchblutung geschädigt und kann nicht mehr genug Kraft entwickeln, um ausreichend Blut in den Körper zu pumpen. Das Herz besitzt nur eine sehr geringe Fähigkeit, sich selbst zu reparieren.
Der Behandlungsansatz
Seit rund 20 Jahren wird untersucht, ob bestimmte Zellen – sogenannte Stamm- oder Stromazellen – helfen können, die Schäden am Herzmuskel zu verbessern. Diese Zellen stammen aus Knochenmark, aus der Nabelschnur oder aus Fettgewebe. Ziel ist es, die Funktion des Herzens zu stärken und die Beschwerden der Patientinnen und Patienten zu verringern.
Die Studienlage
Eine grosse Auswertung von 49 klinischen Studien mit insgesamt 1’408 Teilnehmenden hat die bisherigen Ergebnisse zusammengefasst. Die Beobachtungszeit lag je nach Studie zwischen 1 und 10 Jahren. Am häufigsten wurden Zellen aus dem Knochenmark verwendet (59,2 %), gefolgt von Zellen aus der Nabelschnur (16,3 %) und aus Fettgewebe (12,2 %). In den meisten Fällen stammten die Zellen von den Patientinnen und Patienten selbst (59,2 %). In 38,8 % der Fälle kamen Spenderzellen zum Einsatz, in 2 % eine Mischung aus beidem.
Die Zellen wurden auf unterschiedlichen Wegen verabreicht: über die Vene, über die Herzkranzgefässe oder direkt in den Herzmuskel. In manchen Fällen geschah dies zusätzlich zu einer Operation am Herzen, wie einer Bypass-Operation.
Die Ergebnisse
Die Studien zeigen deutliche Verbesserungen. Die Pumpkraft des Herzens – gemessen an der sogenannten linksventrikulären Ejektionsfraktion – stieg im Durchschnitt um 5,75 Prozentpunkte (p < 0,0001). Auch die Lebensqualität besserte sich: Bei fast zwei Dritteln der Patientinnen und Patienten verbesserte sich die Gehstrecke im 6-Minuten-Test, und bei mehr als der Hälfte besserte sich die Einstufung der Herzschwäche nach der NYHA-Skala.
Die Grenzen der bisherigen Forschung
Trotz dieser positiven Ergebnisse gibt es Einschränkungen. In knapp einem Viertel der Studien (22,4 %) fehlten Vergleichsgruppen. Dadurch ist die Aussagekraft der Ergebnisse eingeschränkt. Die Fachleute betonen deshalb, dass dringend grössere und besser kontrollierte Studien nötig sind. Nur so lässt sich sicher klären, ob diese Behandlung tatsächlich den Weg in die breite Anwendung finden kann.
Referenz:
Seyihoglu B, Orhan I, Okudur N, Aygun HK, Bhupal M, Yavuz Y, Can A. 20 years of treating ischemic cardiomyopathy with mesenchymal stromal cells: a meta-analysis and systematic review. Cytotherapy. 2024 Dec;26(12):1443-1457. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39078351/
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Ein neues Diagnose-Panel sichert die Sicherheit von mesenchymalen Stamm-/Stromazellen
Stammzelltherapien gelten als vielversprechender Ansatz für die Behandlung zahlreicher Krankheiten. Doch immer wieder gab es die Sorge, dass Stammzellen ein Risiko für Krebs darstellen könnten. Eine neue Studie bringt nun Klarheit und zeigt: Mesenchymale Stamm-/Stromazellen (MSCs) sind sicher – dank eines neu entwickelten Testverfahrens.
Neues Testverfahren bestätigt die Sicherheit von Stammzellen
In der Dezemberausgabe der Fachzeitschrift Human Genetics wurde eine Studie des Teams der Polish Stem Cell Bank (PBKM, FamiCord Group) veröffentlicht. Sie befasst sich mit einem oft genannten Bedenken rund um Stammzellen: der möglichen Gefahr, dass sie Krebs verursachen könnten. Die Ergebnisse zeigen jedoch eindeutig, dass sogenannte mesenchymale Stamm- oder Stromazellen (MSCs) sicher sind und kein Risiko für Krebs mit sich bringen.
Warum diese Zellen wichtig sind
MSCs gelten als besonders wertvoll, weil sie das Immunsystem beeinflussen und Entzündungen im Körper hemmen können. Deshalb spielen sie in vielen medizinischen Therapien eine zentrale Rolle. Trotzdem gab es in der Vergangenheit immer wieder Sorgen, ob sich aus diesen Zellen Tumore entwickeln könnten.
Bestehende Richtlinien und ihre Grenzen
Die International Society for Cellular Therapy (ISCT) hat bereits Regeln aufgestellt, wie MSCs für medizinische Zwecke gezüchtet und überprüft werden sollen. Dazu gehören auch Methoden, mit denen Veränderungen im Erbgut festgestellt werden können. Diese Verfahren liefern wichtige Hinweise, reichen jedoch nicht aus, um endgültig zu zeigen, ob die Zellen sicher sind. Genau an diesem Punkt setzt das neue Testverfahren des PBKM-Teams an.
Ein neues Verfahren für mehr Sicherheit
Bislang gab es verschiedene Methoden, um die Sicherheit dieser Zellen zu prüfen, doch keine davon war einheitlich anerkannt oder besonders einfach in der Anwendung. Um hier Klarheit zu schaffen, hat das PBKM-Team ein spezielles Testverfahren entwickelt. Dieses Verfahren überprüft die Eigenschaften von MSCs auf einer molekularen Ebene und zeigt zuverlässig, dass sie sich klar von Krebszellen unterscheiden.
Wie die Studie durchgeführt wurde
Das Forschungsteam untersuchte Zellen aus der sogenannten Wharton’s Jelly, einem Gewebe der Nabelschnur. Sie analysierten dabei 100 sorgfältig ausgewählte Gene und verglichen, wie stark diese Gene in drei verschiedenen Zelltypen aktiv sind: in den MSCs aus der Nabelschnur, in Krebszellen und in sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen). Mit Hilfe bekannter Marker und eines speziellen Genpanels konnten die Forschenden klar zeigen, dass MSCs ein anderes Muster aufweisen als die beiden Vergleichsgruppen. Daraus entstand ein robustes Diagnose-Panel, das MSCs eindeutig von möglicherweise gefährlichen Zellen unterscheidet.
Bedeutung für zukünftige Therapien
Für die Studie wurden die Nabelschnur-Stammzellen zunächst gewonnen und im Labor gezüchtet. Danach wurden sie in einem mehrstufigen Verfahren überprüft, unter anderem durch Genanalysen. Das neue Protokoll ermöglicht es, die Genmuster der MSCs klar von denen der iPS-Zellen und verschiedenen Krebszelllinien abzugrenzen.
Das neue Diagnose-Panel ergänzt damit die bereits bestehenden Richtlinien der International Society for Cellular Therapy (ISCT), die Standards für den Einsatz von MSCs in der Medizin vorgibt. Es bietet nun eine standardisierte Möglichkeit, die Sicherheit dieser Zellen zu überprüfen.
Mehr Vertrauen in Stammzelltherapien
Mit dieser Entwicklung hat das Team der PBKM eine wichtige Lücke geschlossen. Das Verfahren schafft mehr Sicherheit für Patientinnen und Patienten sowie für Ärztinnen, Ärzte und Hersteller. Es stärkt das Vertrauen in Stammzelltherapien und ebnet den Weg für eine breitere und verlässlichere Anwendung in der regenerativen Medizin.
Referenz:
Anna M. Różycka‑Baczynska, Igor M. Stepaniec, Marta Warzycha, Izabela Zdolinska‑Malinowska, Tomasz Oldak, Natalia Rozwadowska, Tomasz J. Kolanowski: Development of a novel gene expression panel for the characterization of MSCs for increased biological safety. J Appl Genetics (2024).
https://link.springer.com/article/10.1007/s13353-024-00917-5#citeas